Presseartikel
Künstliche Intelligenz allein ist kein Allheilmittel
Veröffentlicht: 28.10.2025 | Von investify
investify TECH will Banken, Vermögensverwaltern und Versicherern eine Brücke zwischen Technologie und Regulatorik bauen. Im Interview erklärt Geschäftsführer Harald Brock, warum die Zukunft des Private Banking in Plattformmodellen liegt, welche Rolle KI tatsächlich spielt – und weshalb sich die Branche davon lösen muss, alles selbst machen zu wollen.
1. investify TECH positioniert sich als Technologie- und Regulatorik-Provider für Banken und Vermögensverwalter. Welche Dienste leisten Sie auf diesen beiden Feldern konkret?
So wie Banken und Vermögensverwalter ihre Kunden in der Regel ganzheitlich betreuen, war es schon immer unser Ansatz, auch vom Kunden her zu denken. Deshalb denken wir Digitalisierung im Vertrieb und Backoffice stets zusammen. Hintergrund: Wir glauben nicht daran, dass fragmentierte Wertschöpfungsketten im Zeitalter von Digitalisierung, wachsender Regulatorik und Fachkräftemangel bestehen können. Deshalb bieten wir alles, was Banken und Vermögensverwalter im Wertpapiergeschäft benötigen, aus einer Hand bzw. „schlüsselfertig“ an. Das besondere bei unseren Lösungen sind sicherlich unsere regulatorischen Kompetenzen. Mit Hilfe digitalisierter Prozesse können wir viele Regulierungsaufgaben einfacher, schneller und kostengünstiger lösen, als es in vielen Finanzdienstleistungsunternehmen heute der Fall ist. Dies geht nur, da wir selbst reguliert sind. So können wir in unserer Plattform zahlreiche regulatorische Aufgaben für unsere Kunden übernehmen. Die müssen sich dann um Themen wie Ordering, Orderkontrollen, Reporting, Abrechnung etc. gar nicht mehr kümmern. Und das betrifft nicht nur das tägliche Doing – sondern auch die Lösung neuer regulatorischer Verpflichtungen wie zuletzt bei der DORA oder dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Wir bilden regulatorische Verpflichtungen in der Plattform für all unsere B2B-Partner ab – vom mittelständischen unabhängigen Vermögensverwalter bis zur EZB-regulierten Großbank. Früher dachten wir, dass unsere Lösungen primär für kleine und mittelgroße Finanzdienstleister von Relevanz sind. Unsere Praxis zeigt: Heute gehören oftmals auch große Konzerne zu unseren Kunden. Der Trend, technologische und regulatorische Lösungen zusammen zu denken, wird sich weiter fortsetzen – auch im Sinne einer besseren UX/UI. Trade Republic und Co. setzen hier neue Standards in Sachen Einfachheit – an diesen Standards werden alle Marktteilnehmer gemessen, unabhängig davon, ob sie Leistungen im Self Service vertreiben oder mit Hilfe eines Beraters. Um diese Einfachheit schnell und compliant abzubilden, ist eine Plattform sehr hilfreich.
2. Wie weit ist der deutsche Private-Banking- und Retail-Markt auf dem Weg zur echten Plattformökonomie?
Es gibt einige Vorreiter, die das schon seit Jahren mit großem Erfolg einsetzen, dann gibt es eine große Zahl an Häusern, die sich aktuell mit dem Thema beschäftigen. Und einige wenige, die der Meinung sind, sie müssten alles selbst machen. Aber ich bin überzeugt davon, dass man Aufgaben, mit denen man sich nicht profilieren kann, auf eine Plattform auslagern sollte. Der Vermögensverwalter sollte sein Know-how und seine Ressourcen für die Dinge einsetzen, die ihn auszeichnen. Und das sind bspw. primär Asset Management, Kundenberatung und Vertrieb. Da kann er für seine Kunden und sein Unternehmen am meisten leisten. Teure Eigenentwicklungen kosten zu viel Zeit und Geld. Nur wenige Unternehmen sind in der Lage, dies personell und finanziell zu stemmen – eine starke Plattform ist daher immer häufiger das Mittel der Wahl. Die Unterscheidung zwischen Retail- und Private Banking spielt dabei keine Rolle – alle Segmente sind für eine Plattform geeignet, unabhängig davon, ob der Anleger 50 Euro monatlichen sparen will oder 5 Mio. professionell im Private Banking investieren möchte.
3. Sie arbeiten mit der DWP Bank und Dericon an einem digitalen Marktplatz für Vermögensverwaltungen in der Sparkassenwelt. Wie verändert dieses Modell das klassische Private-Banking-Geschäft – und wo stoßen Sie derzeit noch auf Herausforderungen?
Marktplätze sind in vielen Bereichen schon sehr verbreitet, z.B. bei der Baufinanzierung oder bei Tages- und Festgeldern. Im Bereich der Vermögensverwaltung bieten Banken ihren Kunden bisher oft nur inhouse bzw. Verbundlösungen an. So lief das bisher auch bei den meisten Sparkassen. Mit Hilfe des VV-Marktplatzansatzes geben wir Sparkassen jetzt völlig neue Möglichkeit, sich stärker als Partner an der Seite ihrer Kunden zu profilieren und einen sehr innovativen Ansatz zu vermarkten, der deutliche Wettbewerbsvorteile schafft. Weg vom Produktverkäufer, hin zum Berater, der die besten Asset Manager im Markt auswählen und verkaufen kann. Im ersten Schritt sind Vermögensverwaltungsallokationen von Berenberg, Flossbach, Allianz Global Investors, LBBW und DJE verfügbar. Weitere werden folgen. Der Endkunde muss nicht mehr seine vertraute Sparkasse verlassen, wenn er bspw. nach einem Unternehmensverkauf verschiedene hochkarätige Asset Manager haben möchte, um sein Risiko zu streuen. Das Besondere: Die Mittel bleiben im Sparkassendepot und wandern nicht ab zu Depotbanken der externen Asset Manager. Dies ist völlig neu für Sparkassen und schafft viel Akzeptanz. Ein weiterer Vorteil: Das „Schlechtperformance“-Risiko wird von der Sparkasse auf den oder die Asset Manager verlagert. War der Kunde bisher unzufrieden (z. B. mit der Performance), war die ganze Kundenbeziehung der Sparkasse gefährdet, da der Asset Manager aus dem Verbund kam und direkt mit der Sparkasse verwoben war. Dies ändert sich mit dem Marktplatz nun diametral: Berater und Asset Manager sind disjunkt. Mit unserem Marktplatz wechselt man einfach mit einem Klick bei dauerhafter Underperformance den Asset Manager oder nimmt noch weitere Asset Manager zur Diversifikation hinzu. Der Kunde hat dabei über ein Portal jederzeit die volle Transparenz über die unterschiedlichen Allokationen, Performances, Risikomaße etc.
4. Marktplätze sind in der Vermögensverwaltung bisher eher selten. Was sind aus Ihrer Sicht die größten technischen und kulturellen Hürden für mehr Offenheit in Bankenstrukturen?
Das Bewusstsein, dem Kunden die besten Lösungen am Markt anbieten zu können, muss sich in der Breite durchsetzen. Die Sparkassen fungieren hier als Pionier. Aus meiner Sicht unterstützen gerade innovative Neobroker mit ähnlichen Philosophien und vielfältigen Produkten, die leicht nachgefragt und ausgetauscht werden können, den Modernisierungsprozess und fördern Marktplatzansätze. Das gleiche gilt für Vergleichsportale. Man sieht diese Entwicklung bspw. schon im Rückgang aktiver Fonds – gesellschaftlich stehen (aktive) ETFs in der Diskussion besser dar und werden vermehrt nachgefragt. Wenn man als etablierte Bank oder als etablierter Vermögensverwalter nur mit der einen hauseigenen bzw. Verbundlösungen antritt, wird man die künftige Kundengeneration immer schwerer erreichen und gegen Neobroker etc. immer schwerer bestehen können. Auch die Möglichkeiten der KI machen es notwendig, aufzurüsten und die besten Asset Manager im Markt im Angebotsportfolio zu haben.
Technisch ist die Einbindung von Marktplätzen heutzutage kein Problem mehr.
5. Wo sehen Sie heute die realistischen Einsatzfelder von KI im Private Banking, und wo überwiegt noch der Hype?
Einsatzmöglichkeiten sehen wir, wie zuvor geschildert, im Asset Management und im Rahmen von Effizienzgewinnen. Automatisierte, individuelle Kundenansprache, Transkription und Analyse von Beratungsgesprächen, Erkennung auffälliger Transaktionen sind Beispiele hierfür. Die Entwicklung schreitet jedoch sehr schnell voran. Wichtig ist es, sich mit dem Thema zu befassen und jetzt Erfahrung zu sammeln. Verglichen mit den Anfängen des Internets braucht es Zeit zu sehen, was sich wirklich durchsetzt beim Kunden. Rein auf KI spezialisierte Unternehmen sind aus meiner Sicht jedoch häufig Modeerscheinungen aus der Venture Welt, die es operativ im Wertpapiergeschäft schwer haben werden. Man kann und will vermutlich nicht in jedem Prozess, der zum Kunden gerichtet ist, KI-Komponenten einbauen. Heißt: KI-basierte Wertschöpfungskomponenten werden die klassische Digitalisierung nicht in allen Bereichen überholen. Hieraus abgeleitet, kann man schon von Hype sprechen, wenn man sich im Markt umschaut.
Verstehen Sie mich doch bitte nicht falsch: Richtig eingesetzt, kann KI Entwicklungen beschleunigen, Komplexität reduzieren und die Qualität erhöhen – ohne dabei Kontrolle oder Verantwortung aus der Hand zu geben. Deshalb nutzen auch wir die KI sehr stark. In unserer Plattform unterstützt KI die Digitalisierung des Wealth Managements auf sinnvolle Art und Weise. Voraussetzung sind eine klare Governance, eine strukturierte Wissensbasis und regulatorische Achtsamkeit.
6. Sie haben Einblick in Vermögensverwalter, Privatbanken, Sparkassen und Versicherer. Wo unterscheiden sich die Digitalisierungsstrategien dieser Häuser – und wo gleichen sie sich stark?
Bei all diesen Kundensegmenten haben wir die gleiche Plattform im Einsatz. Das ist auch sehr wichtig, da sich unsere Plattform dauerhaft technisch und regulatorisch weiterentwickelt und all unsere Kunden von den Plattformeffekten profitieren. Das geht nicht, wenn man bspw. fünf unterschiedliche Lösungen im Einsatz hat.
Die Motivation, warum man unsere Plattform einsetzt, unterscheidet sich jedoch erheblich: Sparkassen wollen und bekommen bspw. über unsere Plattform gemeinsam mit der DWP-Bank einen VV-Marktplatz bereitgestellt.
Bei Versicherungen geht es häufig um die Wiederanlage von Ablaufleistungen aus Lebensversicherungen oder jetzt ganz aktuell darum, neue staatliche Förderprodukte (bspw. Frühstartrente) schnell und innovativ anbieten zu können.
Privatbanken wollen häufig mit einer modernen Vermögensverwaltungsplattform neue Kundensegmente effizient erschließen.
Klassische unabhängige Vermögensverwalter nutzen aktuell sehr häufig eine fragmentierte, personalintensive Wertschöpfungsarchitektur, die modernisiert werden soll.
Egal auf welches Segment und welche Motivation man schaut: Alle möchten durch unsere Plattform nicht nur digitalisieren, sondern auch dauerhaft die regulatorischen Kosten und Belastungen reduzieren. Viel zu lange wurde nur über Digitalisierung im Frontend gesprochen. Echte Digitalisierung gelingt aber nur, wenn man auch das Backoffice digitalisiert. Unsere Überzeugung ist, dass man heute technologische mit regulatorischen Lösungen aktiv verbinden muss. Hier haben wir ein echtes Alleinstellungsmerkmal im Markt.
7. Wealthtechs und Anbieter wie investify TECH, FNZ oder Avaloq drängen zunehmend in dieselben Segmente. Wie differenzieren Sie sich – über Technologie, Regulatorik oder Partnerschaftsmodelle?
investify TECH differenziert sich durch einen sehr starken Plattformansatz im Bereich Vermögensverwaltung, beratungsfreies Geschäft und Anlageberatung. Dabei ist die Plattform depotbankenagnostisch, arbeitet also mit unterschiedlichen Depotbanken im Markt zusammen, wie bspw. Baader, FNZ, V-Bank, FFB, DWP, DZ Bank, Upvest, Comdirect etc. Ein weiteres Abgrenzungsmerkmal: Die investify TECH-Plattform kann von kleinen und sehr großen Unternehmen gleichermaßen genutzt werden – das können andere Anbieter nicht. Zudem sind wir von der luxemburgischen Finanzaufsicht CSSF reguliert. Davon profitieren Unternehmen, die über keine eigenen Lizenzen bspw. im Bereich der Vermögensverwaltung verfügen. Ein Beispiel dafür ist die Kooperation mit dem mit Abstand größten deutschen Maklerpool Fonds Finanz. Die Fonds Finanz bildet ihre Vermögensverwaltung über unsere Lizenz ab. Andere Unternehmen nutzen ganz bewusst die investify TECH-Lizenz, da sie inhouse weniger regulatorische Belastungen haben möchten und deshalb nur als Vermittler auftreten wollen. Unter diesem Modell läuft beispielsweise auch der Sparkassen VV-Marktplatz.
8. Mit Blick auf Plattformökonomie und Open Banking: Wird der Wettbewerb künftig eher zwischen Banken stattfinden – oder zwischen Technologieanbietern, die die Infrastruktur liefern?
Wir sehen bereits seit einigen Jahren ein relativ klares Wettbewerbsbild. Es gibt relevante Fintechs, wie der Neobroker Trade Republic, die den Banken das Leben in Teilbereichen schwer machen. Vor Jahren haben wir im Zahlungsverkehr mit Paypal gleiches gesehen. Solche innovativen Unternehmen erweitern ihr Leistungsspektrum Schritt für Schritt und konvergieren gegen das Leistungsspektrum einer klassischen Bank. Zudem gehen Neobanken, wie N26 oder Revolut, im Wertpapiergeschäft immer mehr in die Breite und bieten neben Broker-Funktionen auch immer häufiger Vermögensverwaltungs-Dienstleistungen.
Jetzt kommen Infrastrukturanbieter bzw. Plattformen wie investify TECH oder Upvest ins Spiel, die Banken, Versicherern oder Vermögensverwaltern helfen, ihre Wertschöpfungsstrukturen zu verbessern bzw. moderne, wettbewerbsfähige Produkte anzubieten. Kooperationen ermöglichen in diesem Zusammenhang nicht nur das Angebot von neuen Produkten, sondern bringen auch deutliche Time-to-Market-Vorteile. So entstanden in den letzten zwei bis drei Jahren Kooperationen, die vor fünf Jahren noch völlig undenkbar waren.
9. Wenn Sie fünf Jahre nach vorne blicken: Welche Rolle wird investify TECH dann im Private Banking spielen – technischer Enabler, strategischer Partner oder vielleicht selbst Marktplatzbetreiber mit direkter Kundenschnittstelle?
Wir sehen uns auch in Zukunft ganz klar als B2B-Unternehmen. Wir wollen technischer Enabler und strategischer Partner sein und kein eigenes Endkundenangebot aufbauen. Wir haben unsere Kundengruppen im Laufe der Zeit deutlich erweitert: von Banken, Sparkassen und unabhängigen Vermögensverwaltern über große Asset Manager, Versicherungen bis hin zu Maklerpools und Non-Financials. Das bietet uns hervorragende Möglichkeiten, weiter zu wachsen. Auch Auslandsmärkte sind künftig ein Thema. Aktuell führen wir schon spannende Projekte in Österreich durch. Das zeigt, wie universell die von uns erstellte und immer weiter ausgebaute Plattform eingesetzt werden kann und verschiedensten Unternehmen und deren Kunden Mehrwerte liefert.
Interview mit dem ‚Private Banking Magazin‘ vom 27.10.2025.


